Bessere Immunität durch InfektionWirbel um Ansteckungsaussage von Top-Virologe Drosten
Der deutsche Corona-Experte wolle sich mit Corona infizieren, um eine bessere Immunität zu erreichen, wird fälschlicherweise berichtet. Was wirklich hinter seiner Aussage steckt.

Der bekannte deutsche Virologe hat in den sozialen und klassischen Medien für ordentlich Wirbel gesorgt. Im wöchentlichen Coronavirus-Podcast von NDR Info sprach er etwas mehr als zwei Stunden lang mit Wissenschaftsredaktorin Korinna Hennig über Impfquoten, Delta-Gefahren, Covid bei Kindern und die Auffrischungsimpfungen. Daraus entstanden sind dann Schlagzeilen wie: «Drosten will sich mit Corona infizieren» oder «Warum sich der Virologe eine Corona-Infektion wünscht».
Wer sich den Podcast anhört, erkennt schnell, dass Drosten das weder so gesagt noch gemeint hat. Der Steilpass der Schlagzeilen wurde in den sozialen Medien aber schneller in einen Tweetsturm verwertet, als man das ganze Gespräch nachhören konnte. Dies wurde selbst dem besonnenen Drosten zu viel, sodass er die verdrehte Aussage schliesslich klarstellte und auf seine ganze Wortwahl verwies.
Doch was hat Drosten wirklich gesagt? Wissenschaftsredaktorin Korinna Hennig befragte den Experten zu den viel diskutierten Auffrischungsimpfungen, nachzuhören ab Minute 55 im Podcast. Es sei nicht das Ziel, «über alle Zeit immer wieder impfen zu müssen», erklärte der Virologe. Rein immunologisch sei jede Auffrischungsimpfung zwar nützlich, man habe danach viel mehr Antikörper als vorher, und nach der dritten Impfung halte der Schutz wohl auch länger als nach der zweiten.
Um aber langfristig gesehen eine endemische Situation wie bei der Erkältung zu erreichen, sollte das Immunupdate durch immer wiederkehrende Kontakte mit dem Virus erfolgen und nicht über die Impfung. Diese Infektionsimmunität auf die Impfung drauf sei auf Dauer robuster, erläutert Drosten. Der Aufbau der Immunität erfolge dann vor allem im Bereich der Atemwege, in den Schleimhäuten. Und somit kann der Körper auch schneller auf eine Ansteckung reagieren.
Drosten rechnet mit Infektion
«Ich habe mich schon lange damit abgefunden, dass ich nach dem ersten Schutz durch die Impfung dann meine erste, zweite und dritte Corona-Infektion haben werde, und danach bin ich richtig und nachhaltig belastend immun», sagt Drosten. Dann werde er Sars-2 nur alle paar Jahre wiedersehen. Der Virologe sehnt sich also nicht nach einer Ansteckung oder möchte diese gar willentlich herbeiführen, wie das vielerorts interpretiert wurde, er rechnet lediglich damit, dass er aufgrund des weiterhin zirkulierenden Virus irgendwann davon erwischt wird, weil ja auch die Impfungen keine Garantie vor einer Ansteckung bieten.
Er könne das als relativ gesunder Erwachsener aber für sich selbst verantworten, dass er irgendwann angesteckt werde – weil er doppelt geimpft sei und bereits einen Grundschutz habe. Das gelte nicht für Ältere und vulnerable Gruppen, die weitere Impfdosen benötigten. Aus persönlicher Sicht würde er eigentlich auch am liebsten eine weitere Spritze kriegen, anstatt sich anzustecken, verrät Drosten, aber aus ethischen Gründen müsse seine dritte Dosis eher nach Afrika gehen.
Jüngere Menschen seien immer noch gut geschützt, in Afrika haben hingegen erst zwei Prozent überhaupt eine Impfung erhalten. Drosten ist auch Sprecher des Scientific Committee Global Health an der Universitätsklinik Berlin, weshalb er Impfungen immer auch aus diesem Blickwinkel betrachtet, wie er sagt. Und aus dieser Sicht sei es ethisch nicht vertretbar, hier die Jungen schon ein drittes Mal zu impfen.
Fronten haben sich verhärtet
Man müsse jetzt auch die Angst vor dem Virus verlieren, sagt die Wissenschaftsredaktorin, um diese endemische Situation zu erreichen. Und Drosten mahnt, nicht immer so dogmatisch zu sein. Manchmal müsse er auch revidieren, was man früher gedacht habe. So gebe es Anhaltspunkte, dass Infektionen bei Kindern weniger schlimm sind, wie dies auch bei anderen Infektionskrankheiten der Fall sei. Ältere Geschwister und Eltern seien jetzt durch die Impfung geschützt. Somit müsse man an den Schulen nicht mehr jede Infektion verhindern, wie das letzten Winter noch sinnvoll war.
Drosten bedauert, dass sich die Fronten bei dieser Frage verhärtet haben, die Stellungen seien bezogen, auf der einen Seite die Verharmloser, auf der anderen Seite die Ängstlichen, und es gehe gar nicht mehr um die Kinder, sondern nur noch darum, recht zu haben. Die Ängstlichen behaupteten, es würden alle Schüler durchseucht, dann hätten 4 Prozent der Kinder Long Covid, und das sei schrecklich. «Das ist falsch, Schulen werden nicht durchseucht», sagt Drosten. Genauso falsch sei es, einfach zu sagen, dass es Long Covid bei Kindern nicht gebe. «Wenn man Long Covid als Kombination von Symptomen definiert, dann gibt es bei den infizierten Kindern dreimal so viele, welche diese Symptome haben», erklärt der Virologe.
Andreas Frei ist seit 2017 Online-Sitemanager und Nachrichtenjournalist in der Redaktion Tamedia.
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