Der Pieks lohnt sich doch
Ganz ungefährlich ist die Grippe noch immer nicht. Wer ihr entgehen möchte, sollte bis Mitte November die Impfung erneuern lassen.
Hatschi. Der Nebenmann im Tram muss niesen, aber so schnell, wie die Tröpfchen fliegen, kann sich keiner wegducken. Ein paar Tage später kratzt es im Hals, die Glieder schmerzen, und bald darauf hütet man mit Fieber das Bett. Gerade jetzt, wenn es wieder kalt und nass wird, erhebt die Grippe erneut ihr lästiges Haupt.
Meist wird sie beim Husten und Niesen über Tröpfchen übertragen. Aber auch auf Gegenständen, die von vielen benutzt werden, wie Telefone, Türgriffe oder Kopiergeräte, tummeln sich die Viren fröhlich und finden von dort ihren Weg zur menschlichen Schleimhaut. Deshalb wundert es kaum, dass ein Grippefall in der Firma häufig viele weitere nach sich zieht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Grippeviren überaus zäh sind. So wurde nachgewiesen, dass sie auf Geldscheinen unter günstigen Bedingungen bis zu zwei Wochen überleben können. Zwar wird die Infektionskrankheit von den Meisten als unangenehm, aber nicht als wirklich gefährlich angesehen.
Jährlich 1'000 Todesopfer
Dabei forderte die Spanische Grippe von 1918 bis 1920 zwischen 20 und 100 Millionen Tote. Natürlich lässt sich die medizinische Versorgung von damals nicht mit der des 21.Jahrhunderts vergleichen. Dennoch verläuft die Grippe auch heute nicht immer glimpflich. Jedes Jahr zwingt sie in der Schweiz zwischen 1'000 und 5'000 Menschen ins Spital, während 400 bis 1'000 sogar an ihren Folgen sterben. In den USA, dem Land der unbegrenzten Freiheit und der mangelnden Krankenversicherung, sind es sogar bis zu 36'000. Dass die Grippe vielfach unterschätzt wird, mag auch daran liegen, dass sie oft mit grippalen Infekten verwechselt wird. Diese verlaufen viel harmloser als die durch Influenza-A- oder -B-Viren verursachte Grippe, die sich durch schnell steigendes Fieber, Schüttelfrost, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen zu erkennen gibt. Wer nach zwei Wochen wieder auskuriert zur Arbeit erscheinen kann, hat noch Glück gehabt.
Seit 1968 wird gegen die Grippe geimpft, und seitdem kam es nicht mehr zu einer weltweiten Grippe-Pandemie. In der Schweiz machen pro Jahr zwischen 1,2 und 1,4 Millionen Menschen von der Grippeschutzimpfung Gebrauch. Zu den Risikogruppen, die sich unbedingt impfen lassen sollten, zählen Leute über 60, Personen mit geschwächtem Abwehrsystem und chronisch Kranke, da es bei ihnen oft zu Komplikationen wie Lungenentzündung kommt. Aber auch wer es sich aus beruflichen oder sonstigen Gründen nicht leisten kann, zwei bis drei Wochen auszufallen, sollte sich eine Impfung reiflich überlegen. Bei Gesunden wirkt sie zu 70 Prozent.
Zweifel an der Wirkung
Da die Grippeviren ihr Aussehen ständig verändern, legt die Weltgesundheitsorganisation die Zusammensetzung des Impfserums jedes Jahr neu fest. Aus diesem Grund wird empfohlen, die Impfung jährlich zu erneuern. Durch die ständigen Wiederholungen verbessert sich auch die Immunitätslage.
Vor kurzem säten nordamerikanische Studien Zweifel an der Wirksamkeit des Grippeschutzes. Wissenschaftler untersuchten Daten älterer Patienten, die mit Lungenentzündung in kanadische Krankenhäuser eingeliefert wurden. Dabei erwies sich das Sterberisiko der geimpften Personen zwar um die Hälfte geringer als bei den Ungeimpften. Doch lag das nach den Erkenntnissen der Forscher weniger an der Verabreichung des Serums. Ihr Fazit: Senioren, die generell gesundheitsbewusster und robuster sind, lassen sich eher impfen als bereits kranke Ältere, und überstehen auf Grund ihrer besseren Kondition auch Komplikationen besser.
Es mag sein, dass die Wirkung der Grippeschutzimpfung in der Vergangenheit etwas zu positiv eingeschätzt wurde. Tatsache ist jedoch, dass die Grippe bei geimpften älteren Personen deutlich schwächer verläuft und demnach zu weniger Krankenhausaufenthalten und Todesfällen führt. So sagt denn auch Lone Simpson von der amerikanischen George Washington University, die an den Grippeuntersuchungen beteiligt war: «Es wäre höchst unverantwortlich, zu sagen, dass sich Senioren nicht impfen lassen sollen. Ein gewisser Grippeschutz ist besser als gar keiner.»
Albert Wettstein, Chefarzt beim Stadtärztlichen Dienst Zürich, sagt: «Es ist unbestreitbar, dass die Grippeschutzimpfung sehr gut wirkt, aber nicht gegen andere Viren». Damit sind eben jene anderen Erkältungserreger gemeint, die mit der Grippe vielfach verwechselt werden und oft zu dem unberechtigten Vorwurf führen: «Jetzt habe ich mich impfen lassen und es nützt doch nichts.»
Und die Vogelgrippe?
Was die Grippeschutzimpfung kann und nicht kann, darüber herrscht anscheinend oft Verwirrung. Sie hilft beispielsweise auch nicht gegen die Vogelgrippe, die vor kurzem wieder im Osten Deutschlands auftrat und vor ein paar Jahren grosse Panik verursachte. «Gegen die Vogelgrippe kann man nur Tiere, aber nicht Menschen impfen», erklärt Cathy Maret, Sprecherin beim Bundesamt für Veterinärwesen. Überhaupt werde der H5N1-Virus nur in den seltensten Fällen auf den Menschen übertragen. Maret beruhigt. «In der Schweiz droht durch die Vogelgrippe aber keinerlei Gefahr. Da der H5N1-Virus nur in sehr geringem Mass in der Wildvogelpopulation enthalten ist, kann man auch weiterhin unbesorgt am See spazieren gehen und dort Enten und Gänse füttern.»
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