Züri West am Ende der Welt
Wenn in einem Café im russischen Fernen Osten plötzlich Züri Wests «I schänke dir mis Härz» aus den Lautsprechern klingt, kann das schon mal für Tränen in den Augen sorgen.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem einfachen Café, Tausende von Kilometern entfernt von zu Hause, Sie trinken einen Instantkaffee, weil es hier nichts anderes gibt. Sie schauen zum Fenster hinaus, auf die Strassen, die hier breiter sind und staubiger als daheim.
Und plötzlich summen Sie mit, dieses Lied, das kennen Sie doch? Ist es nicht...? Doch! Züri Wests «I schänke dir mis Härz» klingt aus den Lautsprechern in der Fremde. Da sitzen Sie, auf der anderen Seite der Welt, und verstehen sie nicht mehr. Wie kann es sein, dass hier ein Schweizer Lied gespielt wird? Und dann noch dieses, das doch zum Kulturgut gehört in diesem kleinen Land weit weg.
«I schänke dir mis Härz, meh hani nid, du chasches ha, we de wosch, äs isch es guets, und äs git...» Jetzt haben Sie Tränen in den Augen. So etwas konnte früher geschehen.

Es geschah auch, 2003, in der noch nicht so digitalen Welt, ich war im russischen Fernen Osten. Als das Lied damals verklungen und die Tränen weggetupft waren, ging ich zum Tresen, fragte gerührt, ob man hier Züri West kenne.
Der Mann schaute mich verständnislos an. Erst als ich wieder beim Instantkaffee sass, nach vier weiteren Popsongs, nach einem kleinen, unauffälligen Jingle («Radio Swiss Pop»), wurde mir alles klar. Niemand hier kannte Züri West. Aber auch der kleinste, einfachste Schuppen wollte gute, abwechslungsreiche und anspruchslose Musik spielen.
Und dann stiess man zu jener Zeit auf Radio Swiss Pop, ein Radio ohne Werbung, gut geeignet für den Soundteppich im Hintergrund, dafür auch mit einer Schweizer Quote, aber das wussten die Cafébetreiber vermutlich nicht. Ich auch nicht.
Wenn ich nun daran denke, überkommt mich Fernweh und Nostalgie. Heute kann man auf der anderen Seite der Welt niemanden mehr mit «I schänke dir mis Härz» überraschen. Heute kann man überall alles hören, alles streamen, niemand ist auf einen werbefreien Radiosender angewiesen. Was waren das doch für Zeiten!
Aare, Wasser, Tränen: In dieser Rubrik schreiben wir, wie Kultur und Kleinigkeiten uns nachhaltig zu bewegen vermögen.
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