«Ich geniesse diesen Freispruch»
Das Zürcher Bezirksgericht spricht Karl Dall vom Vorwurf der Vergewaltigung frei. Der Entertainer reagierte erleichtert.
Das Zürcher Bezirksgericht hat am Dienstag den deutschen Entertainer Karl Dall vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Das Gericht kam zum Schluss, dass sich das angebliche Opfer die Tat ausdachte, um ihn zu bestrafen. Für eine Verurteilung reiche die Beweislage nicht aus, sagte der Richter bei der Urteilseröffnung nach dem zwölfstündigen Prozess. In den Aussagen der Geschädigten habe es zu viele Ungereimtheiten gegeben. «Seine Qualität der Aussage war eindeutig höher als ihre.»
Als «konstruiert» und «einstudiert» bezeichnete der Richter gar die Schilderung der eigentlichen Tat, der angeblichen Vergewaltigung in einem Zürcher Hotelzimmer im September 2013. Diese sei voller hölzerner Phrasen gewesen und habe gewirkt wie auswendig gelernt.
Rache für die Abfuhr
Karl Dall hingegen habe teilweise wenig vorteilhafte Aussagen über sich selber gemacht, etwa über seine Prostata-Operation, die ihm sexuell gewisse Einschränkungen beschert habe. Er habe auch zugegeben, dass er anfänglich neugierig auf diese Journalistin gewesen sei, die ihn habe persönlich treffen wollen. Vor dem Treffen in Zürich schrieben sich die beiden E-Mails der schlüpfrigen Art.
Am besagten Abend habe Dall die Frau dann aber ziemlich schlecht behandelt. «Wer eine Frau fast drei Stunden vor dem Casino warten lässt, will sicher nichts von ihr.» Für den Richter war deshalb klar: Die Frau sei in Dall verliebt gewesen, sei ihm aufs Zimmer gefolgt und habe sich dann gerächt, als er sie zurückgewiesen habe. Das Gericht sprach von einem regelrechten Rachefeldzug.
«Sehr happy» über das Urteil
Dall nahm den Freispruch erleichtert zur Kenntnis. Er sei «sehr happy», sagte er nach der Urteilseröffnung. «Ich geniesse diesen Freispruch», sagte Dall. Er habe zwar damit gerechnet, aber richtig glauben könne er es erst jetzt. Der Staatsanwalt hatte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren gefordert.
«Ich bin richtig Happy»: Karl Dall vor dem Bezirksgericht in Zürich. (Video: Stefan Hohler, Tages-Anzeiger)
Schlechte Gefühle gegenüber der Schweiz habe er nun trotz dieser Sache nicht, versicherte Dall. Er war im Dezember 2013 in St. Gallen festgenommen worden. Zuerst dachte er, das sei «Versteckte Kamera», doch es stellte sich als bitterer Ernst heraus.
Das Gericht sprach ihm nun – vor allem für die Verhaftung und die vier Tage Untersuchungshaft – eine Genugtuung von 10'000 Franken zu. Für die Anwaltskosten erhält er weitere 59'000 Franken.
Ob die Solothurnerin das Urteil weiterzieht, ist unklar. Erledigt dürfte die Sache für sie aber ohnehin nicht sein: Dall zeigte sie in der Zwischenzeit an, weil sie am fraglichen Abend heimlich Gespräche aufgezeichnet und Fotos gemacht hatte. Diese Aufnahmen stellte sie dann den Ermittlern zur Verfügung, um Dall zu überführen. Ein weiteres Verfahren könnte auf sie zukommen, weil sie jemanden fälschlicherweise einer Straftat bezichtigte.
Stalkerin mit psychischen Problemen
Ein psychiatrisches Gutachten attestiert der heutigen IV-Rentnerin eine unbehandelte Angststörung, eine obsessive Zwangsstörung und eine erotomane Wahnsymptomatik. Was das im realen Leben bedeutet, mussten in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Prominente und Politiker am eigenen Leib erfahren.
Sie stalkte mehrmals prominente Männer, belagerte und bedrohte sie. Zwei Mal wurde sie deswegen schuldig gesprochen. Im Fall von Alt-Bundesrat Adolf Ogi wurde sie per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 30'000 Franken verurteilt, die sie aber bisher nicht bezahlen konnte.
Eine Geldstrafe erhielt sie auch, weil sie CVP-Ständerat Urs Schwaller nachstellte. Auch der frühere Bauernverbandspräsident Hansjörg Walter stand hoch in ihrer Gunst. Den deutschen Musiker Udo Jürgens bezeichnete sie am Dienstag vor Gericht gar als ihren «ersten Freund».
Dass sie immer wieder angezeigt wird, begründete sie mit «verletztem Männerstolz». Sie habe die Beziehungen nach eigenen Vorstellungen führen wollen, nicht so wie die Herren das gewünscht hätten. Über das Gutachten sagte sie, dieses sei mit Vorsicht zu geniessen. Der Gutachter habe sie ja nur zwei Stunden gekannt.
Sie sprach von einer anfänglichen Romanze
Die Solothurner Journalistin war bei der Befragung am Vormittag bei ihren früheren Aussagen zur Tat geblieben: «Am Anfang war es ein guter Abend. Dann wurde es die schlimmste Nacht meines Lebens.» Dall sei für sie ein alter Mann, sagte sie. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass so etwas passiere.
Die hin- und hergeschickten E-Mails, die Dall bei seiner Befragung noch als «schlüpfrig» bezeichnete, waren in den Augen der Frau vielmehr romantisch. Dall habe ihr sogar geschrieben, dass er nicht mehr ohne sie sein könne.
Aussagen mit zittriger Stimme
Nachdem sie den Abend miteinander verbracht hatten – zuerst in der Bar und dann im Casino – sei er im Zürcher Hotelzimmer aber zu einem «anderen Menschen geworden». Nachdem sie sich schlafen gelegt hätten, sei er plötzlich mit seinem ganzen Gewicht auf ihr gelegen. «Er kam mir plötzlich vor wie ein Tier.» Nach einer kurzen Rangelei sei es ihm gelungen, in sie einzudringen. Danach sei er im Bad verschwunden.
Die Journalistin machte ihre Aussagen mit zittriger Stimme. Einmal musste die Befragung unterbrochen werden, damit sie sich wieder beruhigen konnte. Sie leidet unter Panikattacken und ist seit Jahren in psychologischer Behandlung.
«Dreiste Lügnerin»
Der Anwalt von Karl Dall hatte die 43-Jährige vor Gericht als «dreiste Lügnerin» bezeichnet. Die Frau habe keinerlei Hemmungen, Lügengeschichten aufzutischen. «Sie ist eine Spezialistin im Erfinden von Geschichten.» Die Strafanzeige sei ein Resultat ihrer Suche nach Anerkennung. Reagiere ein Mann nicht auf ihre Avancen, schlage ihre Stimmungslage schlagartig von verliebt in wütend um. Aus dem Liebeswahn werde Hass.
Die Solothurnerin hatte bereits einen anderen Prominenten der Vergewaltigung beschuldigt. Wie der Anwalt ausführte, gleichen sich die beiden Anzeigen sehr. Die Journalistin verwende Szenen und Abläufe nach einem wiederkehrenden Muster. In beiden Fällen seien die Männer beispielsweise frustriert vom jahrelangen Eheleben gewesen und hätten ihr zuerst schriftlich sexuelle Avancen gemacht.
Im Zweifel für den Angeklagten müsse hier nicht gelten, sagte der Anwalt weiter. «Hier gibt es keinen Zweifel. Es gab keine Vergewaltigung.» Er forderte deshalb einen Freispruch für Karl Dall sowie eine Genugtuung von 30'000 Franken. Vergewaltigung sei neben Mord und Pädophilie wohl der Vorwurf mit der grössten Ächtungswirkung.
Dall argumentiert mit Potenzproblemen
Dall stritt bei der Befragung vor dem Zürcher Bezirksgericht alle Vorwürfe ab. Er habe die Journalistin nicht vergewaltigt. Ohnehin habe er seit einer Prostata-Operation mit gewissen Einschränkungen zu kämpfen. Er sei nicht impotent, betonte der 73-Jährige. Aber es klappe natürlich nicht mehr wie vorher.
Mit der Frau sei nichts vorgefallen, kein Geschlechtsverkehr, geschweige denn eine Gewalttat. Den Kontakt zur Geschädigten bezeichnete er als «unangenehm». Die Frau sei zudringlich gewesen, habe ihn drangsaliert. «Ich kenne das sonst gar nicht. Ich bin ja nicht George Clooney.»
«Der absolute Horror»
Er habe sie in der fraglichen Nacht nur einmal angefasst: Als er sie sanft aus der Suite des Zürcher Hotels habe entfernen wollen. Sie sei aber völlig ausgeflippt, habe rumgeschrien und ihn beschimpft. Dann habe sie ihn plötzlich wieder abknutschen wollen, ihm ihre Brüste gezeigt und ihm in den Schritt gefasst. Das sei der absolute Horror gewesen. «Ich sagte ihr, sie soll damit aufhören.»
Dall machte vor Gericht einen gefassten, sicheren Eindruck und gab bereitwillig Auskunft. Das Strafverfahren hinterliess bei ihm aber Spuren: Seit Dezember 2013, «als der ganze Stress begann», wurden seine Herzprobleme schlimmer. Er wolle aber nicht jammern. «Vielleicht wäre mir das auch ohne die ganze Sache hier passiert.»
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